Redebeitrag 06.03.20 // Demo gegen das “Flügel”-Treffen in Schnellroda

Wir sind von Utopie und Praxis Leipzig und wollen mit dem folgenden Redebeitrag auf ein paar uns wichtige Aspekte zum heutigen „Flügel“-Treffen eingehen.

Am 5. Februar sorgte die Wahl von Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten für deutschlandweites Aufsehen. Nur mit den Stimmen der Thüringer AfD war das für den Vorsitzenden einer 5-%-Partei möglich. Dass diese taktische Wahl von einem Faschisten wie Höcke angeführt wurde, der auch heute hier beim Flügeltreffen dabei ist, schien dem Machtstreben kein Hindernis zu sein.

Die Recherche zu den genauen Abläufen der Wahl dauert aktuell noch immer an. Es kam bisher u.a. heraus, dass der Berater von Mohring, dem Thüringer CDU-Vorsitzenden, in der selben Verbindung, der protofaschistischen “Deutschen Gildenschaft” wie Kubitschek war. [1] Dass wiederum Höcke und Kubitschek eine enge, vor allem ideologische, Verbindung zueinander haben, sieht man unter anderem an Veranstaltungen wie dem heutigen Flügeltreffen.
Björn Höcke beschrieb, dass er aus den Veröffentlichungen des Instituts sein „geistiges Manna“ ziehe und Schnellroda für ihn „eine Oase der geistigen Regeneration” sei. [2]

Da wir hier in Schnellroda sind, wollen wir natürlich auch auf Götz Kubitschek eingehen. Sein Blick auf die AfD geht vermutlich eher aus einer strategischen Perspektive hervor. So bezeichnete er sie als “der parteipolitische Baustein” in einem für ihn “immer stabiler werdenden Widerstandsmilieu”, zu dem beispielsweise auch “Pegida” und die Initiative “Ein Prozent” gehören. [3] Kubitscheks Einfluss ist in vielen Facetten deutlich spürbar. Allerdings äußert er sich offen antisemitisch. Hier wird tatsächlich eine Differenz zur öffentlich vorgetragenen Meinung der AfD-Führung deutlich. Das betrifft sowohl direkt antisemitische Äußerungen, inklusive seinem Verhältnis zu Israel.

Die selbst bezeichnete „Ein-Mann-Kaserne“ Kubitschek veröffentlichte bspw. einen Text mit dem Titel »Ein vergifteter Brunnen – Alan Posener zugedacht« als Antwort auf eine Kritik an seinen antisemitischen Positionen durch den Autor Alan Posener. [4] Seine Aussagen gipfelten in der Kritik, die AfD würde nur “bedingungslos israelfreundliche Politik machen.” Auch eine „generelle Instrumentalisierung des Holocausts” sieht er als falsch an. So sagte Götz Kubitschek:

„Wir bewegen uns ja fraglos sofort in tabubewehrten Zonen, wenn wir über die weltgeschichtliche Bedeutung des Judentums, des Zionismus oder der Holocaustindustrie nachdenken und unsere Gedanken äußern“. [5] [6]

Neben dem Pathos des “das wird man ja wohl noch sagen dürfen”, widert uns allein schon dieser Dreiklang an. Zudem fordert er einen antiisraelischen Paradigmenwechsel. Dies spitzte sich in der Bezeichnung von Meuthen und Bystron als “peinliche Musterschüler”, aufgrund ihrer vermeintlich israelfreundlichen Aussagen zu. [7]

Dass in der Partei teilweise israelfreundliche Aussagen, dann Kubitscheks Äußerungen, inklusive Einfluss und NS-Relativierungen wie Gaulands Ausspruch, Hitler und die Nationalsozialisten seien „nur ein Vogelschiss“ in 1000 Jahren deutscher Geschichte anscheinend keinen Widerspruch darstellen, zeigt, dass erstere Positionen wohl aus strategischen Überlegungen getroffen werden. Das heute hier abgehaltene Flügeltreffen sollte noch einmal erinnern, dass das Feigenblatt der Israel-Freundlichkeit in der AfD mehr als abstrus ist. Die AfD ist kein Bollwerk gegen Antisemitismus, ganz gleich, welche Lippenbekenntnisse vorgebracht werden.

Bei diesem Thema wollen wir nochmal zu Björn „Geschichtswende um 180 Grad“ Höcke zurückkommen. Seine Verbindungen zum Neonazi Thorsten Heise sind mittlerweile häufig Thema gewesen. Auch Höckes Synonym „Landolf Ladig“ und dessen faschistische Ideologiearbeit wurde nicht nur einmal besprochen. [8] Uns ist es an dieser Stelle wichtiger als je zuvor darauf hinzuweisen, was es bedeuten kann, wenn ein Mensch, der sich als „potentiell mal wichtige politische Person” [9] sieht und von „sich potenzierender Krisendynamik“ [10] phantasiert, Kontakte zu höchstwahrscheinlich bewaffneten Neonazis unterhält.

Höcke nimmt zwar wohlwollend die Stellung als “Frontmann” eines rechten „Flügels“ in der Partei ein und dennoch stellt er nur die Spitze eines Eisberges dar. Wir wollen hier nicht in ewiges „name dropping“ von wichtigen Akteur*innen verfallen sondern darauf eingehen, dass für uns der Begriff des rechten „Flügels“ allein schon irreführend ist. Die Rhetorik eines sogenannten rechten „Flügels“ würde unterstellen, es gebe noch so etwas wie einen “bürgerlichen” und als wäre auf diese Imagination überhaupt Verlass. Doch wie bürgerlich kann die Partei sein, die Faschist*innen in ihren Reihen toleriert? Bietet bürgerliche Ideologie, welche sich über nationale Bezüge definiert, nicht gerade auch das Potential für antisemitische und rassistische Ideen von Volk und Volkskörper?

Ideen die uns, die eine Gesellschaft frei von völkischen, identitären und anderen menschenfeindlichen Ideologien anstreben, direkt im Weg stehen. Der Kampf gegen völkische Umtriebe kann sich nicht auf die Verteidigung einer bürgerlich-konservativen oder neoliberalen Gesellschaft fokussieren, sondern muss eigene, emanzipatorische Ziele formulieren.

In diesem Sinne: Gegen die völkischen Umtriebe! Für die befreite Gesellschaft!

[1]https://www.volksverpetzer.de/hintergrund/mohring-hahn/

[2]https://www.bnr.de/artikel/hintergrund/manna-f-r-fl-gel-fans

[3]https://www.tagesschau.de/investigativ/afd-strategie-101.html

[4]https://jungle.world/artikel/2017/43/reden-mit-ein-mann-kasernen

[5]https://www.belltower.news/goetz-kubitschek-und-die-juden-44132/

[6]https://sezession[.]de/54541/der-fall-wolfgang-gedeon-ein-austausch-zwischen-marc-jongen-und-goetz-kubitschek (Achtung Seite vom “IfS)

[7]https://www.n-tv.de/politik/Die-pro-juedische-Fassade-broeckelt-article21547593.html

[8]https://andreaskemper.org/2019/06/23/ladig-hoecke-synopse/

[9]https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-09/afd-bjoern-hoecke-interview-zdf-abbruch

[10]https://andreaskemper.org/wp-content/uploads/2019/06/Ladig-Synopse-1.pdf, Folie 4