Buchvorstellung: „Topf und Söhne – Besetzung auf einem Täterort“

Sonntag, 30.04.2023, Einlass: 18:30 Uhr, Beginn: 19:00 Uhr

„„Seht her, wir haben so viel aufgearbeitet“ – so hilft Geschichtspolitik dabei, Schuld und Verantwortung unter den Tisch zu kehren.“, prangert Gesa Wolf in einem Beitrag des 2012 erschienenen Sammelbandes „Topf und Söhne – Besetzung auf einem Täterort“ das deutsche Erinnern an. Sie trifft damit einen Punkt, dem sich kritische Formen der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und dessen Fortwirken auch gegenwärtig stellen sollten.

Ab 1939 lieferte die Erfurter Firma „J. A. Topf & Söhne“ Leichenverbrennungsöfen für Konzentrationslager an die SS. Das Unternehmen baute auch für das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau Öfen und Gaskammer-Lüftungstechnik. Eine Aufarbeitung von Seiten der Stadt fand lange Zeit nicht statt. Im Jahr 2001 wurden Teile des Geländes besetzt. Durch die Besetzung, die bis zur Räumung 2009 andauerte, wurde ein selbstverwalteter Ort in Erfurt geschaffen, nachdem zahlreiche Versuche desgleichen gescheitert waren. Von Beginn an wurde sich im Kreise der Besetzer:innen Gedanken um den Umgang mit der Geschichte des Ortes gemacht, was viele Überlegungen und Fragen mit sich brachte. Durch die Thematisierung der Verbrechen mittels der Besetzer:innen konnte ein öffentliches Bewusstsein für die NS-Vergangenheit des Unternehmens errungen werden.

Beteiligte der Besetzung gaben das Buch „Topf und Söhne – Besetzung auf einem Täterort” heraus und dokumentieren damit Konfliktfelder und verschiedene Perspektiven auf die Besetzung. Neben dem Zustandekommen der Besetzung, sollen folgende Aspekte in der Vorstellung und Diskussion des Sammelbandes näher beleuchtet werden: Welcher Anspruch und welche Ansätze wurden bei der Auseinandersetzung mit der Firma Topf & Söhne verfolgt? Welche Erfolge, Hindernisse und Enttäuschungen gab es bei dieser Arbeit und wie gestaltete sich das Verhältnis zu anderen erinnerungspolitischen Akteuren? Wie blicken Teile der Herausgeber:innengruppe heute auf die Zeit der Besetzung und ein staatlich gefördertes Gedenken?

Am 30. April soll das Buch im Conne Island präsentiert werden. Die Veranstaltung wird von Utopie und Praxis Leipzig organisiert und durch den StuRa der Uni Leipzig sowie den FSR Politikwissenschaft der Uni Leipzig gefördert.

Eine Leseprobe ist hier zu finden: https://www.graswurzel.net/gwr/produkt/topf-soehne-besetzung-auf-einem-taeterort/

 

Lesung // Veronika Kracher

Utopie und Leipzig präsentiert Lesung mit Veronika Kracher zu ihrem Buch: "Incels: Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online - Kults" am 10.02.2021, 19Uhr auf Youtube

“Bevor Alek Minassian im April 2018 mit einem Auto in eine Menschenmenge in Toronto raste und zehn Menschen ermordete, hinterließ er auf Facebook folgende Nachricht: »The Incel rebellion has already begun! All hail the Supreme Gentleman Elliot Rodger!«. Elliot Rodger hatte 2014 auf dem Campus der Universität von Kalifornien in Santa Barbara sechs Menschen getötet und 13 weitere verletzt. Er hinterließ ein über hundert Seiten langes Manifest, in dem er seine Taten begründete: Sie seien ein Racheakt gegen Frauen, die ihm Liebe und Sex verweigert und demzufolge den Tod verdient hätten.

Dies sind nicht die einzigen explizit gegen Frauen gerichteten Attentate, die von sogenannten »Incels« verübt worden sind. »Incels« ist die Kurzform für »Involuntary Celibates« – unfreiwillig im Zölibat Lebende. Sie treffen sich in Onlineforen und auf Imageboards und lamentieren darüber, keinen Sex zu haben, obwohl dieser ein naturgegebenes männliches Grundrecht sei. Im mildesten Falle artikuliert sich ihr Denken in Depressionen und Selbstmitleid, im schlimmsten Falle in der Glorifizierung von Kindesmissbrauch, sexueller Gewalt oder dem Femizid. Incels sind jedoch keine »schwarzen Schafe« oder »Ausnahmeerscheinungen« innerhalb der kapitalistisch-patriarchalen Verhältnisse, sondern Ausdruck einer Gesellschaft, in der die Abwertung des Weiblichen an der Tagesordnung ist.

Obwohl Incels schon zahlreiche Gewalt- und Terrorakte begangen haben, wird das Phänomen gerade im deutschsprachigen Raum bisher nur sehr oberflächlich analysiert. Dieses Buch, das die Geschichte der Bewegung nachzeichnet, die Memes und Sprache der Incels erklärt, ihre Ideologie analysiert und eine sozialpsychologische Auseinandersetzung mit diesem Online-Kult anstrebt, wird diese Lücke füllen.”

Link zum Stream kommt am 10.02.. Das Buch könnt ihr hier kaufen.

Theorie im Herbst & Winter // Ende

Letzte Woche ging unsere erste Vortragsreihe zu Ende. In erster Linie ganz lieben Dank an die Referent*innen, ABAG Göttingen, Kollektiv “IfS dichtmachen”, Maria Skywalker & Pola Behr. Außerdem danken wir euch Zuhörenden für euer Interesse und das nette Feedback.
Auf unserem YouTube-Account  sind zwei Vorträge online: Vom Kollektiv “IfS dichtmachen” zum Volksbegriff des “Instituts für Staatspolitik” und der Vortrag “Antifeminismus als Einstiegsideologie in extrem rechtes Denken” von Maria Skywalker. Der Vortrag von Pola Behr zu Antisemitismus in den Debatten um Schwangerschaftsabbrüche in der Weimarer Republik wird gerade noch bearbeitet und dann auch veröffentlicht.
Bleibt gesund und bis bald! – UP

Theorie im Herbst & Winter // “Wieder einmal jüdische Hände” – Antisemitismus in Debatten um Schwangerschaftsabbrüche in der Weimarer Republik

Vortrag von Pola Behr [10.12.2020, 19 Uhr, Streaming Infos folgen]

Ärzt*innen, die offen für das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche eintreten, sind enormen Anfeindungen ausgesetzt. Erst in diesem Sommer wurde ein radikaler Abtreibungsgegner zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er die Ärztin Kristina Hänel mit NS-Ärzten gleichsetzte. Solche Anfeindungen sind kein Phänomen der Gegenwart, sondern haben eine lange Geschichte. Schon die beiden Ärzt*innen Friedrich Wolf und Else Kienle, die 1931 aufgrund des §218 verhaftet wurden, waren solchen verbalen Attacken ausgesetzt. Es fing dabei weniger um gegensätzliche Positionen zu Schwangerschaftsabbrüchen, als darum, die beiden persönlich anzugreifen. Auffallend war, dass diese Angriffe immer wieder darauf hinausliefen, Wolf und Kienle als “jüdische Abtreiber” darzustellen.
Der Vortrag soll zu Beginn die Geschichte der sogenannten Abtreibungsparagraphen von 1871 bis zur Verhaftung der beiden Ärzt*innen, sowie die oppositionellen feministischen und kommunistischen Bewegungen darstellen. Daran anschließend werden die verschiedenen antisemitischen Motive, die in der Berichterstattung um den Prozess gegen Wolf und Kienle auftraten, analysiert. Anhand dessen kann der Frage nach ideologischen Überschneidungen zwischen Antifeminismus und Antisemitismus in Debatten um Schwangerschaftsabbrüche nachgegangen und ebenfalls Kontinuitäten ins heute aufgezeigt werden.

Theorie im Herbst & Winter // Antifeminismus als Einstiegsideologie in extrem rechtes Denken

Vortrag von Maria Skywalker [04.12.2020, 19 Uhr, Streaming-Link für YouTube folgt]

Es hat in den letzten Jahren einen erheblichen Backlash zu traditionellen Rollenmustern gegeben. In Deutschland hängt dies vor allem mit dem Erstarken der „Neuen Rechten“ zusammen. Doch seit geraumer Zeit folgen auf Worte nun auch Taten, wie Anschläge der letzten Jahre verdeutlichen. Hinter einer antifeministischen Ideologie steht auch immer ein Verschwörungsgedanke, der sich überwiegend antisemitischer Codes bedient. Karin Stögner nennt diese Verstrickung „Intersektionalität von Ideologien“. In meinem Beitrag gehe ich noch einen Schritt weiter: Während sich Stögner in ihrer Ausarbeitung auf die Intersektionalität von Sexismus und Antisemitismus bezieht, wird hier ein verschwörungsideologischer Antifeminismus untersucht. Der Beitrag folgt dabei der Annahme, dass Sexismus lediglich eine Diskriminierungsform ist, während hinter Antifeminismus eine Ideologie steht. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, dass Frauen nicht per se als Projektionsfläche dienen, sondern im Besonderen eine geheime Elite, die den Feminismus orchestriert. Das Ziel dieser Elite ist es, nicht nur gefügig zu machen, sondern auch deutsche Männer zu „entmannen“, indem Frauen ihnen auf Grund ihrer Emanzipation Sex entziehen. Diese geheime Übermacht kann mit dem Bild des „allmächtigen Juden“ analog gesetzt werden.
Antifeminismus dient somit nicht nur als ein „gesellschaftlicher Kitt“, der Ideologien miteinander vereint und Ressentiments schürt, sondern kann auch als eine Einstiegsideologie in (neu-)rechtes Denken angesehen werden. Während der Recherche wurden verschiedene Artikel der extrem rechten Zeitschrift “Junge Freiheit” analysiert. Gab es vorab überwiegend eine Verschränkung von antisemitischen und antifeministischen Chiffren, fließt ab Januar 2016 auch eine stark rassistische Erzählweise mit hinein. Anhand der Ereignisse in den letzten Jahren wird deutlich, dass die antifeministische Ideologie nicht mehr nur ein Theoriekonstrukt ist, sondern auf Worte Taten folgen, wie die rechtsterroristischen Anschläge gezeigt haben.

Link zu dem Vortrag: https://youtu.be/KQijdb9LxrI

Theorie im Herbst & Winter // Zum Volksbegriff des „Instituts für Staatspolitik“

Vortrag des Kollektiv “IfS dichtmachen”  [10.12.2020, 19 Uhr, Streaming Infos folgen]

In unserem Vortrag möchten wir der Frage nachgehen, wie der Begriff des „Volkes“ in den Publikationen des „Instituts für Staatspolitik“ verhandelt wird. In einem ersten Schritt soll zunächst ein Beitrag von Caroline Sommerfeld auf der Plattform „Sezession im Netz“ analysiert werden. Anhand verschiedener im Verlag „Antaios“ erschienener Publikationen wird im nächsten Schritt untersucht, wie sich die Autor*innen einer völkischen Geschichtsschreibung bedienen. Diese beiden Blickwinkel werden im Anschluss zusammengeführt, um die Frage nach der Konstruktion des Volksbegriffs und deren Funktion zu erörtern.

Theorie im Herbst & Winter // Völkische Männerbünde auf dem Vormarsch? Die Burschenschaften als Elitenschmiede der Neuen Rechten

Vortrag des Antifaschistischen Bildungszentrums und Archivs Göttingen (ABAG)  [18.11.2020, 19 Uhr, Streaming Infos folgen]

Die ersten Burschenschaften entstanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Kontext der deutschen Nationalbewegung. Gerade diese Typen studentischer Verbindungen verstehen sich aufgrund ihrer historischen Ursprünge als entschieden politische Bünde. Dabei vertraten Burschenschaften spätestens während des Deutschen Kaiserreiches klar völkisch-nationalistische Positionen, zu denen sich vor allem der größte Dachverband unter ihnen – die Deutsche Burschenschaft (DB) – bis heute vehement bekennt. In der jüngeren Vergangenheit befanden sich die burschenschaftlichen Dachverbände noch in einer Krise. Doch mit dem Aufstieg der AfD sehen Burschenschafter nun neue Chancen, ihre politischen Ansichten wieder salonfähig zu machen – und zwar nicht nur in der DB, sondern auch in den vermeintlich gemäßigten Dachverbänden Allgemeine Deutsche Burschenschaft (ADB) und Neue Deutsche Burschenschaft (NDB). In dem Vortrag werden zunächst die Besonderheiten von Burschenschaften als bestimmte Verbindungsform sowie ihre geschichtliche Entwicklung skizziert, um in der Folge auf ihre gegenwärtige Verstrickung in der Neuen und extremen Rechten einzugehen.”