Hedwig Dohm, Feministin der ersten Frauenbewegung, schrieb schon im 19. Jahrhundert: „Glaube nicht, es muss so sein, weil es so ist und immer so war“. Nach dieser Prämisse haben Feminist*innen seitdem erfolgreich gehandelt. Die feministische Bewegung und ihre Kämpfe sind wirksam darin, nichts für unveränderbar, nichts für ewig, nichts für ein Naturgesetz hinzunehmen. Der Feminismus ist wirksam darin, Ideologien und deren Auswirkungen, die uns das Ewige und Nicht-Veränderbare erst glauben lassen, zu bekämpfen.
Konkret zeigt sich das am Erfolg jahrzehntelanger feministischer Kämpfe:
Die Abschaffung des Paragraf 219a (zum Informationsverbot zu Schwangerschaftsabbrüchen) und damit der Erfolg der feministischen Bewegung, die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen niemals hinzunehmen. Die kurdisch-feministische Bewegung in Rojava kämpft sowohl gegen den IS und die Angriffe der Türkei als auch gegen Patriarchat und Kapitalismus. Die Bewegung kann uns hoffnungsvoll im Bestreben bestärken, die Herrschaftsverhältnisse zu überwinden. Auch das von Feminist*innen erkämpfte Selbstbestimmungsgesetz ist ein wichtiger Schritt im Kampf um die Anerkennung geschlechtlicher Selbstbestimmung.
In Indien streikte landesweit das Krankenhauspersonal, nachdem eine Ärztin im vergangenen Jahr im Krankenhaus vergewaltigt und ermordet wurde. Die Wirksamkeit des Feminismus äußert sich außerdem in Polen, wo eine feministische Bewegung Schwangerschaftsabbrüche trotz staatlicher Repression versucht, möglich zu machen. An all diesen Bespielen zeigt sich, dass feministische Kämpfe uns immer wieder hoffen lassen: Es könnte alles ganz anders sein.
Ob unter Javier Milei in Argentinien, Trump in den USA oder Orban in Ungarn: Für feministische Kämpfe ist im letzten Jahr auch deutlich geworden, dass es die Rechte und die Körper von Frauen, Lesben, inter-, nicht-binären, trans und agender Personen sind, die ein wesentliches Kampffeld (extrem) rechter Politik darstellen. Dabei treten Misogynie und Queerfeindlichkeit gemeinsam zu Tage. In der vor allem von extrem rechten Akteuren verbreiteten Erzählung des Transhumanismus verschränken sich Queer- und Transfeindlichkeit außerdem mit antimodernen und antisemitischen Motiven. Die Verschwörungserzählung des Transhumanismus enthält die Vorstellung, dass es im Sinne einer globalen Elite sei, mittels moderner Technologie die Menschheit auszulöschen.
An den Bildern des Aufmarsches hunderter Neonazis bei CSD-Paraden im letzten Jahr lässt sich erkennen, wie mobilisierungsfähig die rechte Szene auch in Sachsen ist, wenn es gegen queere Menschen geht.
Von Dohm sollten wir deshalb ebenso lernen: Ein feministischer Kampf sollte sich auch anderen menschenfeindlichen Ideologien widmen und diese als miteinander verwoben begreifen. Dohm wies bereits auf den Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Sexismus hin. Sexismus, Queer- und Transfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, der Hass auf Menschen, die behindert, chronisch krank, obdachlos, arm oder schwach sind – diese Ideologien sind miteinander verschränkt.
Im vergangenen Jahr wurde allerdings deutlich, wie selbst in feministischen Kreisen Misogynie verwoben in antisemitischen Ideologien, auf erschreckende Weise verbreitet wurde: Die brutale sexualisierte Gewalt im Rahmen des islamistischen Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wurde geleugnet, verharmlost oder gar als angeblich legitimer Widerstand gefeiert. Gleichzeitig halten wir die in Teilen der Linken vollzogene Idealisierung der rechten Netanjahu-Regierung für fatal. Eine emanzipatorische Linke darf das unfassbare Leid der Palästinenser*innen nicht verharmlosen oder rassistische Narrative sowie rassistische Polizeigewalt verteidigen. Der Kampf gegen Antisemitismus und Misogynie muss mit dem Kampf gegen Rassismus einhergehen.
Hedwig Dohms Vorgabe sollte sich auch eine transfeindlich-feministische Bewegung vorhalten. Trans Frauen leiden unter misogyner Gewalt und unter sexistischen Erzählungen, die auch von manchen Feministinnen befeuert werden. Wenn mit Natur und Biologie deterministisch um sich geworfen wird, wenn sich an vermeintliche Naturgesetze geklammert wird, wenn Identität zu einer starren Notwendigkeit wird, die sich ausschließlich an Genitalien und Gebärfähigkeit orientiert, sollte eine materialistisch-queerfeministische Bewegung deutlich widersprechen. Eine feministische Bewegung, die sich einem biologistisch deterministischen Weltbild bedient und patriarchale Herrschaftsdynamiken personifiziert, richtet sich nicht gegen eine patriarchale Herrschaft oder die Zwänge, die sich aus dieser ergeben, sondern führt wieder in diese zurück. Natur und Gesellschaft müssen von Feminist*innen immer als geworden, als gewachsen und im stetigen Wandel verstanden werden.
Deshalb sollten wir gegen das, was vermeintlich einfach schon immer so ist, stets aufbegehren. Diesen 8. März rufen wir dazu auf, zu kämpfen für das Beharren auf dem Wandel, zu kämpfen für das Anders- und Schwachsein, zu kämpfen gegen die patriarchal-kapitalistische Misere und ihre Ideologien.