Theorie im Herbst & Winter // “Wieder einmal jüdische Hände” – Antisemitismus in Debatten um Schwangerschaftsabbrüche in der Weimarer Republik

Vortrag von Pola Behr [10.12.2020, 19 Uhr, Streaming Infos folgen]

Ärzt*innen, die offen für das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche eintreten, sind enormen Anfeindungen ausgesetzt. Erst in diesem Sommer wurde ein radikaler Abtreibungsgegner zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er die Ärztin Kristina Hänel mit NS-Ärzten gleichsetzte. Solche Anfeindungen sind kein Phänomen der Gegenwart, sondern haben eine lange Geschichte. Schon die beiden Ärzt*innen Friedrich Wolf und Else Kienle, die 1931 aufgrund des §218 verhaftet wurden, waren solchen verbalen Attacken ausgesetzt. Es fing dabei weniger um gegensätzliche Positionen zu Schwangerschaftsabbrüchen, als darum, die beiden persönlich anzugreifen. Auffallend war, dass diese Angriffe immer wieder darauf hinausliefen, Wolf und Kienle als “jüdische Abtreiber” darzustellen.
Der Vortrag soll zu Beginn die Geschichte der sogenannten Abtreibungsparagraphen von 1871 bis zur Verhaftung der beiden Ärzt*innen, sowie die oppositionellen feministischen und kommunistischen Bewegungen darstellen. Daran anschließend werden die verschiedenen antisemitischen Motive, die in der Berichterstattung um den Prozess gegen Wolf und Kienle auftraten, analysiert. Anhand dessen kann der Frage nach ideologischen Überschneidungen zwischen Antifeminismus und Antisemitismus in Debatten um Schwangerschaftsabbrüche nachgegangen und ebenfalls Kontinuitäten ins heute aufgezeigt werden.