Redebeitrag 19.09.2020 // Kundgebung “Erst der Leuchtturm dann das Rittergut – Faschozentren dichtmachen!”

Nachdem wir im März diesen Jahres bei unserem Redebeitrag anlässlich des Flügetreffens auf den grassierenden Antisemitismus in der Neuen Rechten und im Besonderen bei Kubitschek selbst eingegangen sind, wollen wir dieses Mal mit einem anderen Exkurs fortsetzen.

Die “Sommerakademie”, welche hier gerade stattfindet, ist dieses Jahr in sehr unterschiedliche, ablaufende Prozesse eingebettet. So erlosch die von Kubitschek herbeigesehnte “Strahlkraft” des IB-Hauses in Halle, als es im Mai endlich endgültig geräumt wurde. Aber nicht nur in Halle, auch generell scheint die IB in Deutschland in ihren letzten Zügen zu sein. Das sieht auch Götz Kubitschek so, der als Mentor mit Sellner die IB in Deutschland maßgeblich geprägt hat – sie jetzt aber als ein, seiner Aussage nach, gescheitertes Projekt zu den Akten legen muss. [1]

Auch die Beobachtung des IfS durch den Verfassungsschutz seit April diesen Jahres war ein eventueller Einschnitt. Ob eine Einstufung als Verdachtsfall deren Arbeit wirklich erschwert, bleibt abzuwarten. Vor allem als Linke sollte sich aber nicht auf den VS verlassen werden. Weiterhin ist der sogenannte Flügel der AfD, der sich noch im März hier in Schnellroda getroffen hat, nach einer Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden zumindest offiziell aufgelöst. [2]

Nicht die ersten und einzigen Kratzer am “Götzenbild”. Bereits 2014 verließ der Mitgründer des IfS und einer der führenden Denker der Neuen Rechten, Karlheinz Weißmann, das selbsternannte Institut sowie die IfS-Zeitschrift “Sezession”. In einem Interview erklärt der nicht weniger problematische Weißmann, dass die dauernden Alleingänge Kubitscheks, seine notorische Unzuverlässigkeit, wenn es um Absprachen ging und die permanente Grenzüberschreitung Gründe für den Bruch waren. [3] Klingt nach viel, nur nicht nach der selbstverordneten Disziplin, die Kubitschek im Dokumentarfilm “Kleine Germanen” von seinen Kindern einfordert. [4]

Ein weiterer aktueller Umstand zur heutigen Veranstaltung ist die Corona-Pandemie und die anhaltenden, sowieso rechts und antisemitisch durchsetzten Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit. Es kann beobachtet werden, dass die Akteure der “Neuen Rechten” versuchen durch verschiedene Strategien die Proteste in eine nutzbare politische Masse zu formen. So werden, über die Kanäle der Sezession, Positionen u. a. von Martin Sellner diskutiert, die eine Vereinnahmung forcieren. [5]
Die Sommerakademie in diesem Jahr unter dem Oberthema “Staat und Ordnung” wird da eine ähnliche Richtung einschlagen. Die Akademien verfolgen generell das Ziel einer ideologischen Schulung und sind wichtiger Vernetzungsort. Teilnehmer unter 35 sollen die Kader von morgen bilden.

An dieser Stelle wollen wir noch ein paar Gedanken zum generellen gesellschaflichten Rechtsruck, welcher sich nach der spannenden Analyse Thorsten Menses in seinem Artikel NSU 3.0 [6] vor allem in der Akzeptanz extrem rechter Themen im Mainstream misst, anschließen. Uns stellt sich hier die Frage nach den unterliegenden gesellschaftlichen Gegebenheiten, welche erst das Potential hierfür bilden. Wie kann die Einführung von “Deutschfeindlichkeit” als politisch motivierte Kriminalität [7] oder die Bildung eines freiwilligen Heimatschutzjahres mit der Bundeswehr [8] nicht auf den Widerstand stoßen, der diesen Tendenzen gebühren würde? Ganz zu schweigen übrigens von den etlichen Kriegswaffenfunden bei Neonazis mit Verbindungen in staatliche Gewaltorgane. [9]

Aus unserer Sicht lohnt es sich, neben vielen weiteren wichtigen Analysen, eine Forschung aus dem Jahr 1949 in die Betrachtung aufzunehmen. In dieser Zeit veröffentlichte eine Forschungsgruppe aus den USA ein Konzept um das antisemitische und faschistische Potential in sozialpsychologischen Faktoren zu untersuchen. Die sogenannten „Studien zum autoritären Charakter“ wirken heute fast wie eine Blaupause nach der die heutige neue Rechte erstellt wurde. Auch Eigenschaften der Verschwörungs-Anhänger*innen lohnen sich vortrefflich für Betrachtungen aus diesem Theoriegebilde heraus. [10]

Um das doch recht komplexe Konstrukt ein wenig herunterzubrechen und um die Ideen nicht zu verkomplizieren, wollen wir zwei der neun Kerneigenschaften eines autoriäten Charakters anreißen und erklären, warum sie so wichtig sind.

Als erstes die Autoritäre Aggression. Dieser Charakterzug beschreibt die „Tendenz nach Menschen Ausschau zu halten, die konventionelle Werte mißachten, um sie zu verurteilen, ablehnen und bestrafen zu können“. Es fällt schnell auf, dass diese Eigenschaft, wie viele aus diesem Konzept, uns doch alltäglich begegnet. Nicht nur in Reden über einen vermeintlichen Asyltourismus von Markus Söder höchstpersönlich oder Mobilisierungen gegen Geflüchete in Nachbarschaften, sondern auch in den kleinbürgerlichen Vorstädten oder konservativen Medienportalen.

Weiterhin zeichnet sich der autoritäre Charakter durch einen Hang zum Machtdenken aus. Dieser zeigt sich beispielsweise in einem Denken in Dimensionen von Herrschaft – Unterwerfung, stark – schwach, Führer – Gefolgschaft oder der übertriebenen Zurschaustellung von Stärke und Robustheit.
Das wird zum Beispiel im martialischen Leitthema “Angriff auf die Substanz” der diesjährigen Sommerakademie deutlich, bei dem es um Strategien der Verteidigung, von – Zitat- Dingen, die sich zu erhalten lohnen in Zeiten der Auflösung aller Dinge, geht. Um welche Dinge es sich dabei handelt, kann hier nur spekuliert werden, progressiv und emanzipatorisch werden sie jedoch nicht sein. Ein weiteres Beispiel wäre das kürzlich erschienene Video zum Identitären Bundeslager, welches an Martialität geradezu übersprudelt und schon verwundern lässt, dass dort kein Verfahren zur Bildung einer terroristischen Vereinigung an die Tür klopft.

Uns ist es wichtig zu sagen, dass diese Feststellungen zum autoritären Charakter nicht pathologisierend gemeint sind. Wir wollen eher herausstellen, dass die grundlegenden Eigenschaften der protofaschistischen bis faschistoiden Neuen Rechten doch stark anschlussfähig für ein bürgerliches Milieu sind und weitaus weiter verbreitet, als vielleicht angenommen. Die bürgerliche Gesellschaft kann nicht als beruhigender Schutzwall gesehen werden.

Wir wollen für eine Gesellschaft kämpfen, die nicht nur den Kapitalismus überwindet, sondern auch eine, die den autoritären Charakter entgültig überflüssig macht. Eine Gesellschaft ohne die faschistischen und antisemitischen Bestrebungen, die uns dieser Tage aus vielen Richtungen um die Ohren fliegen.

Deswegen sagen wir heute wieder, wie auch zur Demo gegen das Flügeltreffen im März:

Gegen die völkischen Umtriebe, für die befreite Gesellschaft!

Quellen:
[1] https://www.belltower.news/ende-der-ib-goetz-kubitschek-erklaert-die-identitaere-bewegung-fuer-bis-zur-unberuehrbarkeit-kontaminiert-92799/

[2] www.tagesspiegel.de/politik/verfassungs…

[3] https://jungefreiheit(.)de/debatte/interview/2015/sonst-endet-die-afd-als-lega-ost/ (Achtung: Link zur rechten Zeitung “Junge Freiheit”)

[4] www.daserste.de/information/reportage-d…

[5] https://sezession(.)de/63310/ein-anderer-kampf (Achtung: Link zur “Sezession”)

[6] konkret, 9/2020, S. 13

[7] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/kriminalitaet-deutschfeindliche-straftaten-was-steckt-dahinter-a-541ae885-7724-4df6-b128-c03a5e37e069

[8] https://www.tagesschau.de/inland/freiwilligendienst-105.html

[9] https://www.belltower.news/uebersicht-waffenfunde-bei-rechtsextremen-86787/

[10] Adorno, Theodor W.: Studien zum autoritären Charakter, S. 45-58