Interview // Lucius Teidelbaum zu Obdachlosenhass und Sozialdarwinismus

Weiterführende Links zu Lucius Teidelbaum: Literatur // Twitter


Magst du dich kurz vorstellen?

Ja, gern. Mein Name ist Lucius Teidelbaum. Ich bin freier Journalist, Buchautor und Bildungsreferent mit dem Schwerpunkt extreme Rechte. Im Jahr 2013 habe ich im Unrast-Verlag das Buch „Obdachlosenhass und Sozialdarwinismus“ veröffentlicht.
Ich möchte am Anfang nochmal darauf hinweisen, dass ich nie wohnungslos gewesen bin und mir auch nicht anmaße im Namen von Wohnungslosen zu sprechen. Wenn ihr auf die Erfahrungen von Wohnungslosen zugreifen wollt, dann müsst ihr mit ihnen direkt sprechen.

Wie kam es dazu, dass du dich mit dem Thema Obdachlosigkeit und Obdachlosenhass beschäftigst?

Zum einem habe ich in einem Nebenjob immer wieder mit Wohnungslosen und Obdachlosen zu tun. Zum anderen kam das durch meine Beschäftigung mit der extremen Rechten. Mir ist aufgefallen das Wohnungslose und Obdachlose eine Opfergruppe rechter Gewalt sind. Ein Umstand, der nur wenig Aufmerksamkeit erfährt.

Gab es besondere Erlebnisse während deiner Arbeit zu diesem Thema?

Nein, aber ich musste mal als Jugendlicher in Dresden hilflos aus der Entfernung mit ansehen wie drei Jugendliche einen älteren Obdachlosen an einer Haltestelle verhöhnten und ihn mit Bierdosen bekickten. Das hat mich schon damals sehr wütend gemacht.
Außerdem habe ich später im Rahmen eines Praktikums bei einer Beratung für Opfer rechter Gewalt mal versucht einen Obdachlosen, den ich zuvor zufällig in der Bahn getroffen und der mir von einem Angriff berichtet hatte, ausfindig zu machen. Leider ohne Erfolg. Da ist mir aufgegangen, wie schwierig der Umgang mit Gewalt für Obdachlose ist. Schwierige Erreichbarkeit für Unterstützung, das Dauer-beschäftigt-sein mit dem eigenen Überleben (Pennplatz, Essen, Geld, Hygiene etc.) und die Schutzlosigkeit auf der Straße vor Übergriffen.
Daraus wurde dann die Beschäftigung mit dem Thema und schließlich das Buch.

Kannst du uns einen kurzen Überblick über die Begrifflichkeiten geben? Was unterscheidet zum Beispiel wohnungs- von obdachlosen Menschen?

Wohnungslose Menschen sind alle erwachsenen Menschen ohne mietvertraglich gesicherten Wohnraum. Obdachlose sind die kleinere Teilmenge davon, die ohne Obdach auf der Straße leben müssen. Einige Wohnungslose nehmen sich übrigens nicht als solche wahr. Man hat sein Zimmer verloren und macht Sofa-Hopping bei Freund*innen. Auch das ist eine Form der Wohnungslosigkeit.

Was sind spezifische Eigenschaften von Angriffen gegenüber obdachlosen Menschen? Liegen dem immer rechte/völkische Ideen zugrunde?

Zunächst einmal muss ich anmerken, dass die physischen Angriffe nur die Spitze des Eisberges sind. Es gibt darunter noch andere Formen wie verbale Anfeindungen, Ausgrenzung und Verdrängung. Wir sollten nicht allein auf die Gewalttaten fokussieren. Viele bettelnde Wohnungslose berichten von verbalen Anfeindungen („Scheiß Penner!“), Spuckattacken oder die Vertreibung aus den Innenstädten durch die Polizei.

Gewalttaten gegen Wohnungslose und insbesondere gegen Obdachlose sind meist situativ, d.h. nicht länger geplant und teilweise besonders enthemmt und brutal. Das nehme ich als starken Hinweis, dass den Opfern der Status als Mensch auf Grund ihrer sozialen Position abgesprochen wird. Die zu Grunde liegende Ideologie bezeichne ich als Sozialdarwinismus.

Vereinfacht gesagt gibt es bei den Täter*innen – in der übergroßen Mehrheit handelt es sich um Männer – um zwei Typen: Angehörige der rechten Szene und unpolitische Personen. Wenn sie keine persönliche Beziehung zu dem Opfer haben und selber nicht wohnungslos, dann spielt bei den meisten Angriffen auf Wohnungslose wohl Sozialdarwinismus eine Rolle. Selbst Überfälle mit Diebstählen lassen sich nicht einfach mit dem Motiv Raub erklären. Warum wurde ausgerechnet ein Obdachloser als Opfer für einen Raubüberfall ausgewählt? Warum wurde er gleichzeitig noch körperlich verletzt? Woher kommt der Hass, der sich deutlich bei dieser Tat gezeigt hat?

Also Nein, vielen Angriffen liegt keine völkische Ideologie zu Grunde, aber eine sozialdarwinistische. Sozialdarwinismus ist zwar in rechter Ideologie enthalten, findet sich aber auch im Rest der Gesellschaft. Ähnliches kann ja auch von Antisemitismus oder Rassismus gesagt werden. Deswegen ist für die Einschätzung der Tat das Motiv des Täters oder der Täterin entscheidend und weniger ihre Zuordnung zu einer rechten Szene. Ist eine solche gegeben, muss sie natürlich bei der Analyse der Tat Eingang finden.

Wenn aber unpolitische Gymnasiasten einen älteren Obdachlosen über Stunden zu Tode foltern, dann ist das deswegen noch lange keine sozialdarwinistische Tat.

Was sind die Ursachen der Kriminalisierung von Obdachlosigkeit deiner Meinung nach? Welche gesellschaftlichen Umstände und/oder psychologischen Prozesse befördern sie?

Meint ihr mit Kriminalisierung die juristische Kriminalisierung? Also Bettelverbote usw.? Das ist der Versuch Innenstädte zu reinen Orten des Konsums zu machen, statt zu Orten für alle Bürger*innen. Da (soziale) Randgruppen wie Wohnungslose, aber auch Drogenabhängige, Straßenpunks, Skater*innen, Sexarbeiter*innen usw., keine wichtige Konsument*innen-Gruppe darstellen und eher als störend empfunden werden, wird versucht sie aus den Innenstädten zu verdrängen und zu vertreiben.

Wenn ihr eher die Abwertung von Wohnungslosen meint, dann hat das etwas mit dem kapitalistischen Normalzustand der Gesellschaft zu tun. Es gibt eine „Ökonomisierung des Sozialen“ (Heitmeyer). Aus einer realen sozialen Ungleichheit wird eine Ungleichwertigkeit gemacht, weil Menschen auf Grund ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit bewertet werden. Transferzahlungs-Empfänger*innen (Hartz4 etc.) werden abgewertet, weil sie ja „auf Kosten der Steuerzahler“ leben.

Gleichzeitig wird von vielen eine systemische Analyse von Erwerbs- und Wohnungslosigkeit abgelehnt. Die Schuld dafür wird individualisiert und privatisiert. Derjenige oder diejenige habe sich einfach nur nicht genug angestrengt. Deswegen wird Erwerbs- und Wohnungslosen öfters ein „Geh doch arbeiten!“ entgegen geschleudert. Nach den Gründen für die Situation der Wohnungslosigkeit wird nicht gefragt und vor allem nicht, was das mit unserer Gesellschaft zu tun hat.

Ein Teil des Hasses auf Arme und Obdachlose scheint mir in der eigenen Angst vor dem eigenen sozialen Abstieg begründet zu liegen. Jeder sichtbare Obdachlose ist quasi auch ein Beweis für die Gefahr selber obdachlos zu werden. Also gebe ich lieber dem Obdachlosen die Schuld anstatt zu schauen, was das mit der Gesellschaft zu tun hat. Damit kann ich die Gefahr für mich selbst leugnen. Unbewusst bleibt bei vielen aber die Ahnung zurück, dass das Glücksversprechen im Kapitalismus nicht für jeden erfüllt wird und das dieser Umstand nicht die Schuld des Einzelnen ist.

Konntest du beobachten, dass Obdachlosigkeit als Druckmittel für Arbeitsleistung eingesetzt wird? (Zum Beispiel „Such dir einen Job, sonst landest du noch auf der Straße.”)

Obdachlosigkeit als Negativbeispiel wird ja bereits in der Sozialisation der Arbeitsethik bei Kindern und Jugendlichen verwendet. „Wenn Du Dich nicht anstrengst, dann endest Du mal so.“

Wie beurteilst du die Situation von Obdachlosenhass in Ostdeutschland? Gibt es Unterschiede zu den alten Bundesländern?

Die Situation ist sicherlich auch nochmal je nach Bundesland und nach Stadt im Osten sehr unterschiedlich. Ich würde mal vermuten, dass unter älteren Wohnungslosen noch viele sind, die einen Bruch in der Biografie durch die Wende erfahren haben.

In der DDR gab es ja offiziell keine Wohnungslosigkeit. Allerdings darf das auch nicht alles zu verklärend gesehen werden. Der egalitäre Anspruch im Realsozialismus wurde durch versteckte Armut konterkariert. Es gab auch Sozialdarwinismus. Sowohl in der Bevölkerung, wo über bestimmte Personen und Familien als „Assis“ gesprochen wurde, sowie staatlicher Sozialdarwinismus. „Assi-Lager“ dienten damals zur Disziplinierung von „Arbeitsunwilligen“.

Generell müsste heute die Situation auf dem Wohnungsmarkt in manchen Gegenden Ostdeutschlands eigentlich besser sein. Es ist vermutlich einfacher in Schwerin eine Wohnung zu finden als in Baden Baden. In den Boomtowns Ostdeutschlands wie Leipzig, Jena oder Potsdam dürfte aber der Anschluss an die Wohnsituation im Westen inzwischen vollzogen worden sein.

Ansonsten galt der Osten besonders in den 1990er Jahren für Wohnungslose als Gefahrenzone. Besonders in den 1990er Jahren waren in Ostdeutschland rechte Skin-Cliquen aktiv, die „Penner klatschen“, wie sie es nannten, als regelrechten „Sport“ praktizierten.
Allein im kleinen Greifswald wurden drei Obdachlose von Rechten ermordet.

Wie würdest du das Verhältnis von Obdachlosigkeit zum Konzept einer revolutionären Arbeiter*innenklasse, dass viele linke Ideen bestimmt hat und weiterhin bestimmt, beschreiben?

Naja, klassisch sind Wohnungslose wohl das, was Marx und Engels als „Lumpenproletariat“ bezeichnen – ein klar diffamierender Begriff. In der Neuen Linken in den 1970er Jahren gab es die Idee das revolutionäre Subjekt auch in den Randgruppen zu suchen.

Ende der 1920er Jahre gab es in der Weimarer Republik eine anarchistische Vagabunden-Bewegung, die versuchte Wohnungslose zu organisieren. Das gelang nur bei einer kleinen Minderheit, die den Zustand der Wohnungslosigkeit auch als Ausstieg aus der bürgerlichen Gesellschaft verstand („Generalstreik, ein Leben lang“). An deren Initiator Gregor Gog wurde unlängst übrigens mit einer schönen Comic-Biografie erinnert.

Diese linke Suche nach dem revolutionären Subjekt hat immer etwas instrumentalisierendes, wenn man nicht selber der jeweiligen Gruppe angehört. Ich finde man sollte stattdessen lieber eine Selbstorganisation unterstützen, wenn das möglich ist. In der Bundesrepublik wäre das auf Bundesebene die „Selbstvertretung wohnungsloser Menschen“ (www.wohnungslosentreffen.de).
Linke sollten bei der Unterstützung von Wohnungslosen aber nicht vergessen dass Politik oft auch eine Art Luxus ist, wenn auch ein zwingend notwendiger. Als linker Aktivist oder linke Aktivistin habe ich meist ein Bett, eine Dusche, einen gefüllten Kühlschrank und einen Schrank mit Klamotten. Auf der Straße muss ich mir das erst alles organisieren und das oft jeden Tag neu. Dann kommt vielleicht noch eine Substanz-Abhängigkeit oder eine Depression dazu. Da bleibt nicht mehr viel Raum für Politik und Selbstorganisation.

Welche Veränderungen ergeben sich durch Corona für Obdachlose? Wie ist die Situation in den Notunterkünften, bei den Hilfsangeboten?

Die Einrichtungen waren nicht auf eine Pandemie vorbereitet. Ohnehin sind viele Einrichtungen für viele eher abschreckend. Mehrbett-Zimmer für sehr unterschiedliche Personen. Oft sogar Doppelstock-Betten für erwachsene Menschen. Keine Aufenthaltsräume, nur Schlafablege-Stellen. Kein Kühlschrank zur Lagerung von Lebensmitteln. Gewalt und Diebstähle untereinander. Das schreckt viele Obdachlose ab. Bei bestimmten Gruppen wie Frauen*, Obdachlose mit Hund, Pärchen oder Familien und LSBTTIQ*-Jugendlichen gibt es ohnehin kaum adäquate Angebote.

Jetzt kam noch die Pandemie hinzu und ein Einhalten der Abstands- und Hygiene-Regeln ist oft unmöglich. Viele Einrichtungen haben/hatten geschlossen, ebenso wie auch viele Tafeln. Die Einrichtungen wurden aber schon vor Corona von Obdachlosen oft gemieden, die Schätzungen gehen von bis zu 90% aus.

Alternativen wie Schwimm- und Freibäder (zum Duschen), Mensen (zum Essen) oder öffentliche Bibliotheken (warmer Tagesaufenthalt) haben ebenso geschlossen. Am sinnvollsten wäre das Öffnen von Hotels und Pensionen mit Einzelbettzimmern gewesen. Das ist aber nicht flächendeckend geschehen, obwohl Beispiele wie Mainz oder Hamburg gezeigt haben das es durchaus möglich gewesen ist.

Die Unterbringung ist aber nicht das einzige Problem gewesen. In der Pandemie sanken die Einnahmen durch Pfandflaschensammeln oder Betteln, weil die Innenstädte leer blieben.

Wohnungslose haben zumeist keine Reserven, die sie durch die Krise bringen. Irgendwelche Ausgleichszahlungen können sie ja auch nicht beantragen. Eine Bettlerin kann ja nicht als Solo-Selbstständige etwas beantragen.

Vermutlich gab es auch viele, die in der Pandemie, schlechte Alternativen zum Leben auf der Straße in Kauf nahmen. Etwa Frauen, die lieber bei einem gewalttätigen Partner verblieben als in Pandemie-Zeiten auf der Straße zu landen. Zumal ja auch Frauenhäuser oft generell überfüllt sind oder eine Art Aufnahmestopp hatten.

Die Gabenzäune für Obdachlose waren eine nette Idee, aber sie haben nach meiner Beobachtung kaum funktioniert. Niemand will davon abhängig sein, was einem in einem Plastikbeutel irgendwo hingehängt wird. Stattdessen macht das Verteilen von Bargeld, womit die Obdachlosen dann selbstbestimmt einkaufen können, weitaus mehr Sinn. Es gibt ja gute Gründe, warum es Kampagnen gegen Essenskisten für Geflüchtete gab.

Wie sieht die gesundheitliche Versorgung von obdachlosen Menschen aus und gibt es Veränderungen durch Corona?

Wohnungslose sind durch ihre Vorerkrankungen oft Teil der Hochrisiko-Gruppen. Die medizinische Grundnotfallversorgung war gewährleistet, wenn Obdachlose sie aktiv in Anspruch nahmen. Schon vor der Corona-Krise war es aber ein Problem, dass es nur in wenigen Städten eine aufsuchende medizinische Hilfe gibt. Das waren Ärzt*innen und Pfleger*innen, die in ihrer Freizeit die Treffpunkte aufgesucht und eine Untersuchung etc. angeboten haben. Ich weiß nicht, ob das aufrecht erhalten werden konnte.

Unter Wohnungslosen gibt es viele mit psychischen Erkrankungen. Die mussten ihre Therapien sicher oft unterbrechen.

Wie sind die Reaktionen der Polizei/Behörden zur Zeit?

Sicherlich unterschiedlich. Ich könnte mir vorstellen, dass es bei Einzelnen auch mehr Verständnis und Mitgefühl gibt. Was die Unterbringung angeht, so wurden aber in den wenigsten Fällen Hotelzimmer etc. angemietet. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Zusammenkünfte von Wohnungslosen und Erwerbslosen, z.B. an Bahnhöfen oder vor Supermärkten, strenger behandelt wurden.

Aber da müsst ihr die Menschen selbst fragen, wie ihre Erfahrungen waren und sind.

Können Äußerungen wie „Wir retten Menschen, die sowieso bald sterben” (B. Palmer) zu Verschärfung der Lage von Obdachlosen beitragen?

Ich denke im dem Fall eher nicht. Palmer hat seinen Sozialdarwinismus ja speziell gegen Ältere gewendet.
Ich habe eher Angst vor der kommenden Wirtschaftskrise und den damit einher gehenden Verteilungskämpfen in einer eher entsolidarisierten Gesellschaft. Die meisten Menschen werden sich dann erst einmal um ihr eigenes Aus- bzw. Einkommen kümmern. Das wird vermutlich auch in linken Kreisen so sein. Auch hier gibt es eine starke Individualisierung. Ich hab so gut wie noch nie von Gruppen gehört, die alle ihren Lohn zusammen werfen und dann dem einzelnen Mitglied den gleichen Betrag ausgeben. Am Ende kämpft doch jede*r für sich.
Zumindest Krisenhilfsfonds sollte man jetzt schon aufbauen und die sollten nicht nur über Solipartys gefüllt werden, sondern diejenigen, die etwas verdienen, geben davon etwas in den Fonds.

Wie sollte linke Arbeit in Bezug auf Obdachlosigkeit aussehen, besonders in Zeiten von Corona?

Die Arbeit sollte auf jeden Fall ähnlich wie bei Geflüchteten einen unterstützenden Charakter haben. Hierzulande organisieren sich Wohnungslose und Ex-Wohnungslose in der „Selbstvertretung wohnungsloser Menschen“, die Unterstützung und Aufmerksamkeit verdient.

Es sollte aber auch eine Romantisierung von Wohnungslosen vermieden werden. Armut macht niemanden zum besseren Menschen. Manchmal denken einige Linke ja, Armut wäre eine Art Besserungsanstalt. Auch unter Wohnungslosen gibt es Personen z.B. mit rassistischen oder sexistischen Einstellungen.
Leider gibt es auch ganz unten Verteilungskämpfe. Da streiten sich dann die Straßenpunks mit osteuropäischen Bettler*innen um die besten Bettel-Plätze.
Andererseits gibt es auch manchmal eine große übergreifende Solidarität, die dem Bewusstsein entspringt, in derselben Situation zu sein. Die „Selbstvertretung wohnungloser Menschen“ fußt auf diesem gemeinsamen Bewusstsein. Ich hoffe, dass dieses Bewusstsein weiter wächst.

Welche (real-)politischen Forderungen sollten generell gestellt werden?

Es gibt einen Forderungskatalog der „Selbstvertretung wohnungsloser Menschen“, der für sich spricht.
Ich fände es aber generell gut, wenn die Wohnungslosenhilfe in Deutschland von diesem blödsinnigen Stufenmodell mit Sanktionen weg kommt. Damit meine ich dass es wird erst eine Wiedereingliederung (Übergangs-Zimmer, Bewerbungstraining, Jobsuche, Entgiftung etc.) angestrebt und am Ende gibt es dann quasi als ‘Belohnung’ vielleicht eine Wohnung. Wer Termine verpasst oder sich sonstwie unkooperativ verhält, bekommt nichts.
Nein, erst die Wohnung und dann die übrigen Probleme angehen. Es gibt gute Erfahrungen mit ‘Housing First’ in anderen Ländern.

Wir danken Lucius Teidelbaum für dieses ausführliche Interview. Die Hinweise, dass bei vielen Fragen betroffene Menschen selbst gefragt werden sollten, haben wir bedacht. In Kürze erscheint unser Interview mit der Punkwerkxxkammer, einer Selbstorganisierung von obdachlosen Menschen in Leipzig.